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  • Norbert Lanter

Ist Achtsamkeit esoterisch? - Ja und nein


Letzthin fragte mich eine Unternehmerin: „Ist Achtsamkeit und "Inner Work" für Manager nicht zu esoterisch?“ - Dem Tonfall der Fragestellung konnte ich entnehmen, dass sie esoterisch eher negativ bewertet. Ich fragte nach, was sie denn unter esoterisch verstehe: „Yoga-Matte, Leinenhose, Räucherstäbchen und so“. Ich versuchte ihr mein eher nüchternes Verständnis von Esoterik zu erklären: Menschen können ihre Aufmerksamkeit und Energie nach aussen oder nach innen richten. Exoterik meint Aussenorientierung, Esoterik meint Innenorientierung. „Aha, es gibt also auch Exoterik? Den Begriff habe ich noch gar nie gehört.“


Exoterik und Esoterik sind die Pole derselben Dimension

Wie mit allen Werten und Tugenden, die etwas Positives beabsichtigen, kippen sie ins Negative, wenn sie übertrieben werden. Das heisst, wenn der andere Pol nicht genügend beachtet und gelebt wird.


Wer überwiegend exoterisch unterwegs ist, wird stark von dem bestimmt, was andere wollen, z.B. Kunden, Mitarbeiter, Vorgesetzte, Lebenspartner, Familienangehörige oder der Staat. Der grösste Teil unserer Aufmerksamkeit und Energie fliesst dadurch nach aussen: Wir sind überall, nur nicht bei uns selbst.* Das ist mit ein Grund, warum Menschen erschöpft sind und sich als überwiegend fremdbestimmt erleben.


Allzu esoterisch ist, wer sich in einem Dauer-Wohlfühl-Bubble von der Realität abkehrt, am liebsten in einer harmonischen, farbigen und wohlriechenden Gegenwelt bleibt und Lichtgestalten mit grossen Heilverprechungen folgt. Das schlechte Image der Esoterik kommt aus deren Übertreibung.


Achtsam zu sein ist keine Flucht vor der Realität, sondern die Relativierung der Realität.

Achtsamkeitspraktiken beabsichtigen, die einseitige Fixierung auf Leistung und äusseren Erfolg in Richtung von mehr innerer Verbundenheit zu bewegen. Sie verschafft Führungskräften Zugang zu inneren Ressourcen, die unter anderem auch ihrer Arbeit zugutekommen: Rundumblick und Fokus, Selbstbewusstsein und Bescheidenheit, Empathie und Standfestigkeit, Kreativität und Vertrauen. In diesem Sinne ist „innere Arbeit“ zwar esoterisch, ja. Doch hat sie den klaren Anspruch, die Welt durch aktive Beiträge in positiver Weise zu gestalten. Achtsamkeit vermeidet Esoterik in ihrer negativen Übertreibung.


* Buchtipp: Georg Milzner, Wir sind überall, nur nicht bei uns





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